Interfraktioneller Antrag: Ehrungen für Höppner und Tschiche

Jens Rösler

Der Stadtrat möge beschließen:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, eine angemessene Ehrung für den ehemaligen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Dr. Reinhard Höppner (SPD) und den Bürgerrechtler Hans-Jochen Tschiche (Bündnis 90/Die Grünen) durch die Benennung einer Straße oder eines Platzes in der Landeshauptstadt Magdeburg vorzunehmen.

 

Um Überweisung in die AG-Straßennahmen und Hausnummerierung wird gebeten.

Begründung:

Die ausführlichen Begründungen für die Ehrungen sind den beiden Anhängen zu entnehmen.
Jens Rösler Oliver Müller Olaf Meister SPD-Ratsfraktion DIE LINKE/future! Bündnis 90/Die Grünen


Anhänge:
Begründungen zur Ehrung von Dr. Reinhard Höppner (Zuarbeit SPD-Ratsfraktion) und Hans-Jochen Tschiche (Zuarbeit Fraktion Bündnis 90/Die Grünen):

Hans-Jochen Tschiche

Hans-Jochen Tschiche gehörte zu den Ostdeutschen, die die DDR-Gesellschaft demokratisieren wollten. Trotz wiederholter Enttäuschungen blieb er unbeirrbar bei seinem Thema. Die nukleare Bedrohung durch die Weltmächte in Ost und West führten ihn zur innerkirchlichen Friedensbewegung der DDR. Die Unduldsamkeit und die ideologische Rechthaberei der DDR-Mächtigen, die sie nach innen und außen zeigten, ließen ihn zum klaren Kritiker des real-existierenden Sozialismus werden.
Hans-Jochen Tschiche war einer, der als Christ, Theologe, Bürgerrechtler und Politiker beständig die Wirklichkeit prüfte an dem, wofür er einstand: demokratische Konfliktfähigkeit, Verantwortung und Solidarität. Diese Tugenden pflegte Hans-Jochen Tschiche unabhängig von Amt oder Mandat. Es war seine Haltung. Er hatte ein feines Gespür dafür, wenn die Rechte von Minderheiten in Bedrängnis gerieten, und trat für sie ein. Damit machte er sich nicht nur Freunde. Als er sich für die Rechte zweier ehemaliger Sexualstraftäter in Insel engagierte, brachte ihm dies jede Menge Anfeindungen ein, die er gelassen zurückwies.
Hans-Jochen Tschiche war ein Mutmacher in mutloser Zeit. In den bleiernen 1980er Jahren der DDR suchte er gemeinsam mit Menschen aus der oppositionellen Friedens- und Umweltbewegung Auswege aus dem gesellschaftlichen Stillstand. Als Gründungsmitglied des Neuen Forums gab er Impulse für eine Erneuerung der DDR. Schon zuvor war Tschiche gegen den Strom geschwommen. Er hatte die Niederschlagung des Prager Frühlings kritisiert und den Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns unterstützt.
Wenige Jahre später war Tschiche Fraktionsvorsitzender der Bündnisgrünen im Landtag von Sachsen-Anhalt, fädelte 1994 mit Reinhard Höppner das „Magdeburger Modell“ ein. Eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen unter Tolerierung der SED-Nachfolgerin PDS.
Hans-Jochen Tschiche ermöglichte gemeinsam mit den beiden, damals die Landesregierung tragenden Parteien SPD und PDS einen echten Dialog zwischen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Politik darüber, wie eine Zurückdrängung von Rechtsextremismus und die mühsame Graswurzelarbeit der Demokratisierung der Gesellschaft aussehen kann. An diesem Prozess, der zur Gründung des Vereins Miteinander führte, waren viele mit ihren Ideen beteiligt: Sozialwissenschaftler*innen, Aktivist*innen, Politiker*innen, Gewerkschafter*innen sowie Vertreter*innen der Kirchen.

Hans-Jochen Tschiche ist am 25. Juni 2015 gestorben.

 

Reinhard Höppner

Reinhard Höppner, sozialdemokratischer Ministerpräsident von 1994 bis 2002 des Landes Sachsen-Anhalt, gehörte zu den Mitbegründern der SDP in der DDR und war eine Persönlichkeit, die Sachsen-Anhalt und Magdeburg über mehr als ein Jahrzehnt lang geprägt hat. Von 1990 bis 2006 war er Mitglied im Landtag von Sachsen-Anhalt; von 1990 bis 1994 Oppositionsführer.
In der ersten freigewählten Volkskammer der DDR leitete er als Vizepräsident die Sondersitzung vom 22./23. August 1990, in welcher der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland zum 03. Oktober 1990 beschlossen wurde.
Nach der Wiedervereinigung hatte Reinhard Höppner als damaliger Vorsitzender des Verfassungsausschusses einen maßgeblichen Anteil an der Entstehung und Entwicklung der zukünftigen Verfassung des neu entstandenen Bundeslandes Sachsen-Anhalt. In den intensiven Debatten zeichnete er sich als kluger Moderator und Vermittler aus, der über Fraktionsgrenzen hinweg nach Kompromissen und bestmöglichen Lösungen suchte, weshalb er bei seinen damaligen Parlamentskollegen als geachteter Politiker galt, der auch bei schwierigen Diskussionen stets einen respektvollen Umgang pflegte. Ein besonderes Anliegen war ihm, dass die Bürgerinnen und Bürger in den Entstehungsprozess zur neuen Verfassung mit einbezogen wurden und Änderungswünsche zum späteren Entwurf einbringen konnten.
In seiner darauf folgenden Zeit als Ministerpräsident (1994 bis 2002) setzte er sich ausdauernd und mit großer Leidenschaft für die Interessen der ostdeutschen Bundesländer ein und leistete damit einen großen Beitrag für den Ausgleich zwischen Ost und West, der Voraussetzung zur Herstellung der inneren Einheit Deutschlands war. Höppner gilt als Vater des „Magdeburger Modells“ mit dem er seit 1994 vier Jahre als Ministerpräsident einer rot-grünen Minderheitsregierung und von 1998 bis 2002 einer SPD-Minderheitsregierung vorstand, die von der PDS toleriert wurde.
Reinhard Höppner gilt bis heute als ein herausragender Demokrat der ersten Stunde in Sachsen-Anhalt, der den Menschen über Ländergrenzen hinweg zuhörte und deren Vertrauen er genoss. Er engagierte sich sehr stark für die Menschen seines Wahlkreises Magdeburg-Olvenstedt und unterstütze maßgeblich die 1997 gegründete Bürgerinitiative Neu-Olvenstedt.
Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik engagierte sich Höppner u.a. im Vorstand der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt sowie als Leiter des Thüringer Arbeitskreises für Misshandlung und Missbrauch in ehemaligen DDR-Kinderheimen und Jugendwerkhöfen. 2007 war er Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Köln. Höppner war darüber hinaus Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande.

Am 09.06.2014 verstarb Reinhard Höppner nach langer Krankheit.

 

Hier geht es zur Stellungnahme der Verwaltung>>>

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